Mitteilungsblatt : « Der Grand Est und der Souvenir français schießen daneben »
Liewi friend,
Im Mitteilungsblatt vom Mai 2025 hatten wir versucht, zur Reflexion über den Umgang mit der Erinnerungskultur im Elsass (und in Lothringen) anzuregen. Anlass war die mediale Übersättigung des öffentlichen Raums anlässlich der Gedenkfeiern zur langsamen Befreiung unserer Region im Jahr 1944.
Für Unser Land ist das Thema Erinnerung kein politisches Thema. Es sollte schlicht der Weitergabe historischen Tatsachen dienen.
Wir gingen davon aus, dass politische und wirtschaftliche Themen wieder in den Vordergrund rücken würden. Schließlich leben wir in einem Land, das kaum regierbar ist und sich am Ende eines politischen Zyklus befindet. Europa sucht nach seinem Kompass und treibt kraftlos inmitten eines Sturms. Unser industrieller Kern ist nicht mehr wettbewerbsfähig, die Landwirtschaft liegt im Sterben, und die Gebietskörperschaften sind machtlos.
Es gäbe also mehr als genug Gründe, sich zu vereinen, um den drohenden sozialen und wirtschaftlichen Abstieg – und noch Schlimmeres – abzuwenden.
In diesem Kontext großer Herausforderungen unterzeichnete die patriotische Vereinigung Le Souvenir Français eine Vereinbarung mit der Region Grand Est. Diese soll es den zwangsrekrutierten Elsässern und Lothringern, die 1942 in die deutsche Armee eingezogen wurden, ermöglichen, die Bezeichnung „Mort pour la France“ („Für Frankreich gefallen“) zu erhalten.
Dies wirft Fragen nach dem Sinn und den Konsequenzen dieser Vereinbarung auf.
Die Region Grand Est, die verzweifelt nach Legitimität sucht, ist bereit, sich diese durch eine historische Verdrehung zu Propagandazwecken auf dem Rücken unserer geopferten Vorfahren zu verschaffen.
In Lothringen fehlen die zwangsrekrutierten Soldaten auf zahlreichen Denkmälern. Mit dieser Maßnahme sollen sie unter der Bezeichnung „Mort pour la France“ nachträglich einbezogen werden. Wenn einige lothringische Gemeinden nach dem Krieg nicht bereit waren, ihre Kinder anzuerkennen – im Gegensatz zum Elsass, wo man mehrheitlich die neutrale Formulierung „À nos Morts“ („Unseren Toten“) wählte – dann ist diese Lösung durchaus sinnvoll, um ein Unrecht zu korrigieren.
Unsere Vorfahren waren 1940 durch das Versagen Frankreichs in eine ausweglose Lage geraten. Statt nach dem Krieg Zurückhaltung zu üben, begegnete Frankreich ihnen jedoch mit Verachtung. Die Frage der Entschädigungen für Witwen und Waisen markiert diesen Ausschluss besonders deutlich.
Heute jedoch eine neue Gedenkserie mit nahezu werblichem Charakter zu initiieren, indem man massenhaft in deutschen Soldatenfriedhöfen, in denen Elsässer und Lothringer begraben liegen – also fast überall in Europa verstreut – Plaketten des Souvenir Français anbringt, ist sinnlos. Auch die symbolische Einbindung des deutschen Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) ändert daran nichts.
Sie ruhen dort mit ihren Schicksalskameraden, die genauso geopfert wurden wie sie. Diese nachträgliche Unterscheidung zwischen Totenist nichts anderes als eine geschmacklose Vereinnahmung, die weder der Erinnerung noch dem Frieden und der Völkerverständigung dient.
Die Zukunft lässt sich nicht gestalten, indem man die Toten für Propaganda verfälscht.
Wenn wir ein brüderliches Europa aufbauen wollen, das in der Lage ist, die vielfältigen Herausforderungen der Gegenwart zu meistern, dann nicht auf der Grundlage von Lügen oder durch die Instrumentalisierung unserer tragischen Geschichte.
Wer wirklich Versöhnung und die notwendige Einheit angesichts der kommenden Herausforderungen fördern möchte, sollte die Toten in Frieden ruhen lassen.
Martin Meyer, Vizepräsident